Sie sind meist ein etwas ungewöhnlicher Anblick, wenn sie uns von Gebäudefassaden ins Auge fallen: die Brise Soleil. Dieses Sonnenschutzsystem realisiert sich in unbeweglichen Auskragungen (d. h. Vorspringen oder Hinausragen über die Grundfläche oder Baufluchtlinie eines Gebäudes) an Bauobjekten, die vertikal oder horizontal angeordnet werden können. Dazu sind sie meist mit unbeweglichen Lamellen durchzogen, die geringe Abstände aufweisen.
Abbildung 1: Unité d’Habitation in Marseille (https://en.wikipedia.org/wiki/File:Unité_d%27habitation_Marseille,_France.jpg (Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0))
Abbildung 1: Unité d’Habitation in Marseille (https://en.wikipedia.org/wiki/File:Unité_d%27habitation_Marseille,_France.jpg (Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0))
Was bedeutet „brise soleil“ auf deutsch?
"Brise" ist Französisch und bedeutet "zerbrechen" und "Solei" heißt "Sonne". Somit ist mit der Übersetzung des Begriffes "brise-soleil" auch seine Hauptfunktion definiert: "Sonnenbrecher".
Wie funktioniert Brise Soleil?
In der Funktionsweise ist der Name Brise Soleil Programm. Dieser "Sonnenbrecher" sorgt damit als gebäudeinterne Verschattung für einen festen Sonnenschutz, der nicht extra angeschafft werden muss. Allerdings ist dieser Schutz nur bedingt, je nach Stand der Sonne.
Ein unbeweglicher Sonnenschutz ist aber keine neue Erfindung – so sind bereits aus dem Mittelalter in den islamischen Großreichen Nordafrikas und des Nahen Ostens sogenannte Maschrabbiya bekannt.
Diese von außen vor dem Fenster angebrachte hölzerne Ornamente sollten vor Sonne schützen. (Siehe Artikel
Eine kurze Geschichte der Jalousie)
Gleichzeitig kam es jedoch auch zu einer parallelen Entwicklung in anderen geographischen Breiten wie Indien (Jāla) oder Brasilien (Coboga) bekannt. Der arabische Sonnenschutz wurden schließlich auch zum
Vorbild des "christlich-europäischen" Gegenparts, den Celosia – aus Stein gehauene Fensterverzierungen. Sie besaßen gleichfalls griechisch-römische Vorläufer (die sogenannten
transenna).
Ab der Renaissance ist als unbeweglicher oder fester Sonnenschutz die bis heute bekannte Loggia aufgekommen. "Loggia" (ital. "Säulenhalle") stellt zumeist eine Arkade mit
Rundbögen dar, die sich innerhalb des Gebäudevolumens befindet und zu mehreren Seiten offen ist. Damit kann sie als Art Balkon genutzt werden. Im Vergleich dazu tritt eine Portikus aus dem Gebäude hervor.
Ein schönes Beispiel ist am Dogenpalast (Palazzo Ducale) in Venedig zu sehen (siehe Abb. 2). Eine Loggia kann aber auch als Einzelgebäude in Erscheinung treten. Beispielsweise die Feldherrenhalle in München.
Abbildung 2: Dogenpalast in Venedig (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Venezia_-_Panorama_011,_Palazzo_ducale.jpg (Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0))
Abbildung 2: Dogenpalast in Venedig (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Venezia_-_Panorama_011,_Palazzo_ducale.jpg (Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0))
Wer hat Brise Soleil erfunden?
Der unbewegliche Sonnenschutz und insbesondere die Brise Soleil erhielt im 20. Jahrhundert neuen Auftrieb als der französische Architekt Charles-Édouard Jeanneret, besser bekannt als Le Corbusier (1887-1965) diese durch massiven Beton oder Stahl in seinen Stil des Brutalismus integrierte. So zu sehen an seinem Wohnhaustyp Unité d’Habitation, das sich unter anderem in Marseille befindet (siehe Abb. 1). Geschmacklich lässt sich jedoch darüber streiten.
Zu dem bereits angesprochenen Nachtteil der Brise Soleil – und des unbeweglichen Sonnenschutzes im Allgemeinen – der mangelnden Flexibilität und Arretierung kommen jedoch noch weitere Punkte dazu. So ist keine individuelle Anpassung des Aussehens durch verschiedene Stoffe und Farben möglich, die ein Kernelement optischer Gestaltung der Fassade darstellen. Natürlich ist hier auch keine Automation und nur in kleinem Rahmen Energieersparnis möglich.
Dennoch stellt der unbewegliche Sonnenschutz bis heute eine architektonische Verzierung dar, die aus Aluminium, Holz, Kunststoff oder gefärbten Glas erhältlich ist, und zumindest im begrenzten Rahmen funktionellen Nutzen durch Verschattung bietet. So bieten die Brise Soleil auch ein variantenreiches Lichtspiel, das den Innenraum erfüllt (siehe Abb. 3) und für stets ausreichend "natürliche Beleuchtung" sorgt.
Abbildung 3: Unité d’Habitation in Marseille – Innenansicht (https://en.wikipedia.org/wiki/File:Cité_radieuse._Intérieur_1.JPG (Creative Commons Attribution-ShareAlike license versions 3.0)
Abbildung 3: Unité d’Habitation in Marseille – Innenansicht (https://en.wikipedia.org/wiki/File:Cité_radieuse._Intérieur_1.JPG (Creative Commons Attribution-ShareAlike license versions 3.0)
Daher sind die unbeweglichen Sonnenschutzsysteme wahrlich von Licht und Schatten durchzogen.
Christopher Decker, M.A.
(Akademischer Mitarbeiter am Seminar für Alte Geschichte und Epigraphik der Universität Heidelberg)